Irgendein Artikel über Berlin

Im Gegensatz zu München, Hamburg oder Frankfurt am Main ist Berlin, was die Mieten betrifft, immer noch relativ günstig. Doch trotzdem haben immer mehr Menschen Probleme, die stetig steigenden Mieten zu zahlen oder überhaupt eine Wohnung zu finden, was vor einigen Jahren noch überhaupt kein Problem war.
Wohnungsbesichtigungen in der Hauptstadt gleichen mittlerweile der Schlange vor dem Berghain und meist sind es die Gutverdiener und Festangestellten, welche die bezahlbaren Wohnungen abbekommen. Die Vermieter wollen am liebsten Mieter, die es kaum mehr gibt, denn Festanstellungen sind in Berlin eine echte Rarität. Zweizimmer-Wohnungen am Rande von Neukölln kosten derzeit beinahe genauso viel, wie eine 4-Zimmer Wohnung in Wilmersdorf vor 5 Jahren. Dabei sind die teuer vermieteten Wohnungen alles andere, als gut ausgestattete Residenzen. Nach dem Auszug der Vormieter wird meist billiges Laminat auf dem Boden verlegt, die Wände mit der obligatorischen Raufaser-Tapete versehen und die Miete deutlich erhöht. Dies tut meiner Liebe zu Berlin aber keinen Abbruch.
Die Anzahl der so genannten Ferien-Flats steigt, was zur Folge hat, dass der so dringend benötigte und bezahlbare Wohnraum in der Hauptstadt minimiert wird. Die Anzahl an Ferienwohnungen, die ausschliesslich dem Eigentümer der Wohnungen jede Menge Profit einbringen, ist nahezu perfide und mittlerweile werden ganze Wohnhäuser nur zum Zwecke der Vermietung an Touristen genutzt. Darunter leiden natürlich nicht nur die Bewohner der Stadt, die auf der Suche nach einer neuen Wohnung sind, sondern auch die Hotelbranche.
Ein weiteres Problem besteht darin, dass zahlreiche Wohnungen nur zum Kauf angeboten werden. Die Anzahl der bezahlbaren Mietwohnungen wird auch durch diesen Faktor weiter begrenzt. Längst nicht jeder Berliner kann es sich leisten, mal schnell eine Wohnung zu kaufen. Gutverdiener aus dem Westen, die noch vor ein paar Jahren einen großen Bogen um Kreuzberg und Neukölln gemacht haben, fühlen sich mittlerweile sicher genug, ihr "kleines Reihenhaus" auf die Karl-Marx-Straße zu verlegen. Am besten im ausgebauten Dachgeschoß mit eigener Terrasse. Die Kinder werden dann nachmittags auf dem privaten Spielplatz geparkt, wo sie dann mit ihres gleichen in einer Art Gated-Community, abgeschlossen von der Außenwelt, die Tage verbringen können. Das bunte Kreuzberg, dass einst Bundeswehrverweigerern Asyl bot und Menschen die Möglichkeit gab, sich auf Grund niedriger Lebenskosten zu entfalten, hat sich in den letzten Jahren immer mehr in genau die westdeutsche Kleinstadt verwandelt, vor der die Lebenskünstler einst geflohen sind. Die Anzahl sogenannter Bio-Eltern, die einem auf der Straße generell nicht ausweichen, ist drastisch gestiegen. Die einzigen Kinder, die man in "36" noch alleine auf der Straße spielen sieht, sind Kinder, mit denen die Bio-Eltern ihre Kinder lieber nicht spielen lassen möchten.
Die Kombination aus steigenden Mieten, begrenztem Wohnraum und der Entwicklung hin zur Zweiklassen-Gesellschaft haben Kreuzberg und Neukölln in den letzten Jahren sehr verändert. Die Stimmung schwankt irgendwo zwischen betrunkenen Touristen-Gruppen und gut verdienenden, älteren Elternpaaren, die schnell mal die Polizei rufen, wenn am Samstagabend eine Geburtstagsparty im Haus gefeiert wird. Von der Freiheit, Kreativität und dem Laissez-Fair, was die Stadtteile einst so interessant machte, ist kaum etwas übrig geblieben. Die wahren Freigeister findet man mittlerweile in Charlottenburg und Spandau, denn dorthin sind sie vor der eingezogenen Spiessigkeit geflohen und dort müssen sie auch nicht ganz soviel Miete zahlen.